Zurück zur Magazin-Startseite deutsche-kinemathek.de
Zwei Männer schauen in die Kamera und sitzen an einem Tisch im Fernsehstudio

Roger Willemsen und ein Gast in der Sendung ›0137‹.

Roger Willemsen und die Zukunft

Inhalt

Die werktägliche Talkshow ›0137‹ war streng genommen Werbung. Der Bezahlsender Premiere (heute Sky) sendete abends um halb acht 45 Minuten lang unverschlüsselt ein Boulevardmagazin, um das Interesse potenzieller neuer TV-Abonnent*innen zu wecken. Von Montag bis Freitag interviewte Roger Willemsen kleine und große Stars, vor allem aber präsentierte die Live-Show viele Visionär*innen. In ›0137‹ wurde schon in den 1990ern über gendergerechte Sprache, nachhaltige Mobilität, die Digitalisierung oder die Gefahren von Kernenergie diskutiert. Mit Gästen wie der Sprachwissenschaftlerin Luise F. Pusch oder dem Filmemacher Wim Wenders warf Roger Willemsen einen Blick in eine Zukunft, die unsere Gegenwart ist.

Allein: Die Show gewann zwar zahlreiche Fernsehpreise, aber nur wenige Neukund*innen. 1994 wurde die Produktion deshalb eingestellt. Danach verschwanden die Aufzeichnungsbänder für lange Zeit im Archiv des Senders. In Zusammenarbeit mit dem ›0137‹-Erfinder Markus Peichl konnte die Deutsche Kinemathek nun eine umfangreiche Sendungsauswahl für die Sammlung Fernsehen digitalisieren und der Öffentlichkeit wieder zugänglich machen.

 

Aus Anlass der Sammlungseröffnung erinnert sich ›0137‹-Moderatorin Sabine Brandi an wilde Zeiten und Fernsehen ohne innere Bremse:

Erfahrungsbericht von Sabine Brandi

»Ich war eine Bestatterin. Aber eine stolze!«

Als ›0137‹ erklärterweise nur noch sechs Monate vor sich hatte, gewann ich das Casting für den Moderationssessel – und erfuhr erst später, dass man Roger Willemsen die final in Frage kommenden Kandidat*innen gezeigt hatte. Er empfahl mich. Was allerdings von Anfang an spürbar war: sein langer Schatten von konstruktiver, empathischer Neugier. Das Redaktionsteam um Jörg Grabosch arbeitete bis zuletzt mit Volldampf für dieses spezielle Format, das Roger berühmt gemacht hat. Hatten es die Vorgänger Sandra Maischberger und Hubert Winkels schwerer, weil Vergleiche mit Roger näher lagen? Keine Ahnung – mir wurde jedenfalls zu keiner Zeit signalisiert, dass hier große Schuhe ausgefüllt werden müssten. Im Gegenteil: Grabosch hat mich ermuntert, erkennbar ich selbst zu sein und meine inneren Bremsen zu lösen. Ich hatte bisher nur Erfahrungen in öffentlich-rechtlichen Anstalten gemacht – klar, gibts da auch leidenschaftliche Kolleg*innen – aber bei ›0137‹ war etwas neu: Diesen Leuten fehlte die anstaltsimmanente Vorsicht und deren Rückseite, die Resignation. Es war ein freieres Arbeiten – mit dem Mut, Boulevard zu wagen. Boulevard mit Tiefgang. Bei allem Respekt für Roger möchte ich hier auch kleine Denkmäler für die, die ›0137‹ hergestellt haben, errichten. So genoss ich zum Beispiel die Zusammenarbeit mit Marie-Luise Schmidt, Beate Wolgast, Martina Sprengel, Lothar Gorris und Christoph Tophinke, die Briefings und der Humor waren excellent!

Autorin

""
Sabine Brandi

Die Journalistin, Moderatorin und Beraterin war 1993 die letzte Gastgeberin der Premiere-Talkshow ›0137‹. Anschließend moderierte sie für den öffentlich-rechtlichen WDR ohne anstaltsimmanente Vorsicht das Medienmagazin ›Parlazzo‹. 

Seite teilen via: