Gangster*innen, kriminelle Banden, Polizist*innen, Detektiv*innen – diese Figuren waren lange Zeit nur selten im deutschen Kino zu sehen. Gehörten in den 1960er Jahren Thriller und Kriminalfilme noch zum Standardrepertoire der deutschen Filmproduktion, so trat mit der Etablierung des Fernsehens als Alltagsmedium der Aspekt serieller Massenproduktion für den Kinofilm zurück. Das Fernsehen wurde Rückzugsort des Genres, im Kino wurden Autor*innen gefeiert – entsprechend dem gängigen Verständnis von Genre- und Autorenfilm.
Heute steht der Begriff ‚Genre’ nicht mehr nur für serielle Massenprodukte der Filmindustrie, sondern beschreibt auch einen Trend, die konventionalisierten Muster und Motive des Genre-Kinos als Grundlage für kreative Filmprojekte zu nutzen – eine Entwicklung, die sich in den letzten Jahren auch in Deutschland beobachten lässt: Autorenfilmer*innen eignen sich klassische Motive des Thrillers an und setzen diese in ungewöhnlichen Produktionen um. Genreregeln legen hier nicht konventionalisierte Narration oder schematisierte Figuren fest – sie bieten vielmehr den Ausgangspunkt für variable und kreative Auseinandersetzungen mit filmischen Mustern und Mythen.
Aus film- und medienwissenschaftlichen Perspektiven untersucht dieser Band die Geschichte des Kriminalgenres in Deutschland, analysiert die Wechselbeziehung von Autor*innenschaft und Genreverpflichtung und verortet die aktuellen Tendenzen zum Genrefilm in einem historischen Rahmen. Fallbeispiele ergänzen diese Ausführungen und vertiefen den Blick auf deutsche Gegenwartsproduktionen.