Selects #8 – Das Streaming-Angebot der Deutschen Kinemathek
Pressemitteilung
-
Deutsche Kinemathek
Museum für Film und Fernsehen
Potsdamer Straße 2
10785 Berlin
Pressekontakt
presse [at] deutsche-kinemathek.de (presse[at]deutsche-kinemathek[dot]de)
Pressefotos
Login: press | kinemathek10785
Der Titel ist Programm der achten Ausgabe von »Selects«. Neun Filme aus drei Jahrzehnten und unterschiedlichen Genres erzählen von den »Working Class Heroes«. Das kuratierte Programm (meUT) steht drei Monate lang kostenlos auf der Website der Kinemathek zur Verfügung.
Die Arbeiterschaft war seit Beginn der Filmgeschichte Thema und Motiv. Schon in einem der ersten Filme nehmen die Lumière-Brüder 1895 Fabrikarbeiter*innen in den Fokus. Fast 130 Jahre später ist das Thema immer noch aktuell. In neun ausgewählten Filmen aus mehreren Jahrzehnten blicken wir auf die individuellen Lebensrealitäten. Die Lohnarbeit, so zeigen es uns die porträtierten Held*innen, ist eine laute, körperlich schwere und zeitverschlingende Tätigkeit. Sie ermöglicht auch die Entwicklung des Einzelnen in Abgrenzung zur werktätigen Masse oder als Teil von ihr. Arbeit kann identitätsstiftend sein: ein Ort, an dem Freundschaften und Solidarität entstehen, sich ein Klassenbewusstsein herausbildet, das den Blick für soziale Ungerechtigkeiten schärft und bessere Verhältnisse einfordert.
Ab 1. Mai 2024, drei Monate kostenlos und beinahe weltweit streamen
Trailer »Selects #8«
deutsche-kinemathek.de/streaming
Die Filme
›Kuhle Wampe oder Wem gehört die Welt?‹
D 1932, Regie: Slatan Dudow, 71 min, engl. UT
Hertha Thiele, Ernst Busch, Martha Wolter, Adolf Fischer, Lilli Schoenborn, Max Sablotzki
Ein Klassiker des proletarischen Films und Solidaritätsaufruf an die Arbeiterschaft, aktiv die Welt zu gestalten und zu verändern. Unter der Regie von Slatan Dudow und nach einem Drehbuch von Bertolt Brecht und Ernst Ottwalt wird in kontrastreicher Bild-Ton-Montage –mit Musik von Hanns Eisler– exemplarisch die Geschichte einer Berliner Arbeiterfamilie Anfang der 1930er-Jahre erzählt. Geprägt durch Arbeitslosigkeit und soziale Not ziehen Vater Bönike, seine Frau sowie Tochter Anni und ihr Freund Fritz in die Gartenkolonie »Kuhle Wampe«. Während die Eltern die Verhältnisse hinnehmen, beginnt Anni sich politisch zu engagieren und mit ihren Freund*innen der kommunistischen Jugend aktiv gesellschaftliche Veränderungen einzufordern.
Der Film wurde 2020 von der Deutschen Kinemathek aufwendig restauriert und digitalisiert.
›Rheinstrom‹
BRD 1966, Regie: Peter Nestler, 13 min, engl. UT
In diesem Kurz-Essay nähert sich Dokumentarist Peter Nestler dem Rhein aus dem Blickwinkel der Arbeiter. Er beobachtet Weinbauer und Rheinschiffer bei ihrer Tätigkeit, filmt Gesichter, Hände und Körper, die immer in Bewegung sind. Schwere Arbeit als Grundlage für den Müßiggang, so fängt die Kamera auch das Freizeitvergnügen beim Weinfest oder auf Bootsfahrten ein. Und die Arbeiter? Sie stehen am Ende des Tages vor einem Tresen in der Kneipe und blicken mit Gesichtern in die Kamera, deren Furchen vom harten Alltag erzählen.
›Berlin um die Ecke‹
DDR 1965/87, Regie: Gerhard Klein, 86 min, engl. UT
Dieter Mann, Monika Gabriel, Erwin Geschonneck, Hans Hardt-Hardtloff, Kaspar Eichel, Kurt Böwe
Die Freunde Olaf und Horst arbeiten in der Jugendbrigade eines Metallbetriebs. Zwischen Planerfüllung und Mangelwirtschaft ist die Unzufriedenheit groß. Die älteren Arbeiter haben dafür kein Gehör und auch kein Verständnis. Ihnen fehlt das Vertrauen in die neue Generation. So kommt es immer wieder zu lebhaften Auseinandersetzungen. Erst die Bekanntschaft Olafs mit dem älteren Arbeiter Paul führt zu einer langsamen Annäherung. Episodenhaft erzählt und an Berliner Originalschauplätzen gedreht, sorgen vor allem Wolfgang Kohlhaases pointierte Dialoge für ein authentisches Generationenporträt, in dem die propagierte Einheit der Arbeiterschaft ebenso wie die sozialistischen Losungen im realen Arbeitsalltag als leere Worthülsen entlarvt werden.
›Für Frauen, 1. Kapitel‹
BRD 1972, Regie: Cristina Perincioli, 29 min, engl. UT
Ungleicher Lohn für gleiche Arbeit, anzügliche Bemerkungen durch männliche Kollegen und kaum Chancen auf Beförderung: Vier Supermarkt-Mitarbeiterinnen haben genug von der täglichen Diskriminierung. Doch eine Revolution im Alleingang kann nur scheitern. Erst als alle vier sich solidarisieren und gemeinsam streiken, verändern sie etwas. Regisseurin Cristina Perincioli drehte und entwickelte die Geschichte ihres Abschlussfilms an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin (DFFB) gemeinsam mit Hausfrauen und Verkäuferinnen und lotete dabei die Möglichkeit von Veränderungen der Machtverhältnisse am Arbeitsplatz unterhaltsam aus.
›… sonst steht ja der Betrieb hier still‹
BRD 1973, Regie: Jörg Gförer, Wolfgang Jung, Walter Krieg, 61 min, Deutsch ohne UT
Selbstbestimmung als Rettung vor der Arbeitslosigkeit: 1972 ersteigert in Franken die Belegschaft des insolventen Beton- und Kunststeinwerkes BEKU mithilfe von Fremdkapital den Konkursbetrieb. Vier Monate danach filmen drei dffb-Studenten dieses Experiment und stoßen auf Frustration, Hilflosigkeit und fehlende Solidarität unter den Beschäftigten. Vor allem die Interviews mit der Arbeiterin Rosa prägen sich ein. Stolz spricht sie von der schweren Arbeit, die sie immer noch schafft, und entlarvt mit scharfem Blick und lauter Stimme die absurden Forderungen und Fehlentscheidungen der Leitung.
›Martha‹
DDR 1979, Regie: Jürgen Böttcher, 49 min, engl. UT
Martha, 68 Jahre, Trümmerfrau aus Berlin, steht tagein, tagaus im übergroßen Mantel am Fließband der Rummelsburger Kippe und sammelt dort den Müll aus den Schuttbergen. An ihren letzten Arbeitstagen lässt sie sich beim Sortieren am Band und später im Frühjahr noch einmal mit ihrer Brigade zum Abschied filmen. Der Ton ist rau und herzlich. Ohne viel Pathos erzählt sie vom Neubeginn im zerbombten Berlin, dem Aufbau mit bloßen Händen und der schweren physischen Arbeit ihr Leben lang. Am Ende sitzt eine glückliche Arbeiterin vor der Kamera, die sich aufs »Ausruhen« freut.
›Lebens-Geschichte des Bergarbeiters Alphons S.‹
BRD 1979, Regie: Christoph Hübner, Gabriele Voss, 8 Folgen, 267 min
Bergarbeiter Alphons S. (1906–1979) erzählt offen und ungeschönt aus seinem Alltagsleben als Kind und Jugendlicher im Ruhrgebiet, als Landarbeiter, »Tippelbruder«, Anarchist und Linkssozialist in der Zeit von 1906 bis 1939. Das Porträt ist ein früher Höhepunkt filmischer »Oral History«, das deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts aus der Perspektive eines Arbeiters und klug reflektierenden Zeitzeugens erfahrbar macht.
›Wer fürchtet sich vorm schwarzen Mann‹
DDR 1989, Regie: Helke Misselwitz, 53 min, engl. UT
Eine private Kohlehandlung mitten im Prenzlauer Berg: Die Chefin sitzt an einem runden Biertisch und stellt ihre siebenköpfige männliche Belegschaft herzlich und pointiert vor. Die Männer lachen. Dies ist nicht nur ein Arbeitsplatz, sondern auch eine Gemeinschaft, auf die man sich verlassen kann. Schwer ist die Arbeit und wenig angesehen. Kohlenstaub fliegt durch die Luft, setzt sich im Gesicht und an den Händen fest. Tagtäglich liefern die Arbeiter die Kohlebriketts direkt in die Berliner Wohnungen. Regisseurin Helke Misselwitz gelingt eine Sozialstudie, die durch eine unaufdringliche Kamera und behutsame Fragestellungen hinter die raue Fassade der einzelnen Arbeiter blicken lässt.
›Du bist nicht allein‹
D 2007, Regie: Bernd Böhlich, 97 min
Axel Prahl, Katharina Thalbach, Katerina Medvedeva, Herbert Knaup, Karoline Eichhorn, Mathieu Carrière, Jürgen Holtz
Arbeitslos und nun? Ein Plattenbau in Marzahn: Der arbeitslose Maler Hans Moll flieht aus seiner Lethargie, als eine schöne neue Nachbarin auftaucht. Seine Frau, ehemalige Wurstfachverkäuferin, bereitet sich derweil auf den vom Arbeitsamt versprochenen Karrieresprung durch einen neuen Job vor und verliert das Wesentliche aus den Augen. Auch die Mittelschicht bleibt von Krisen nicht verschont: Schauspielerin Sylvia Welk bekommt keine Hauptrollen mehr und hält sich als Synchronsprecherin über Wasser, während ihr Mann, ein arbeitsloser promovierter Physiker, untätig zuhause sitzt. Regisseur Bernd Böhlich zeigt in seiner Tragikomödie mit viel Sympathie für seine Protagonist*innen, was passiert, wenn gewohnte Lebenswege, vor allem beruflich, aber auch privat, zum Stillstand kommen.