Claudia von Alemann und ihre Filme: »Das nächste Jahrhundert wird uns gehören«
Pressemitteilung, 30.3.23
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Pressemitteilung
Claudia von Alemann, eine der wichtigsten Protagonist*innen des feministischen Films und der Frauenbewegung in Deutschland, wird anlässlich ihres 80. Geburtstages mit einer umfassenden Werkschau mit Gästen in drei Berliner Kinos gewürdigt. In Anwesenheit von Claudia von Alemann
Geboren 1943 in Thüringen und aufgewachsen im Rheinland, geht Claudia von Alemann 1963 zunächst nach Westberlin, um an der FU Kunstgeschichte und Soziologie zu studieren. Es folgt ein Studium der Filmgestaltung von 1964 bis 1968 bei Alexander Kluge und Edgar Reitz an der HfG Ulm. Von 1974 bis 1980 lebt und arbeitet sie in Paris.
Aus einem ursprünglich nur für wenige Tage geplanten Aufenthalt in Paris während der Mai-Unruhen 1968 wird ein ganzes Jahr. Zurück in Deutschland schließt sich Claudia von Alemann der autonomen Frauenbewegung an und gründet gemeinsam mit Mitstreiter*innen einen ersten Frankfurter »Weiberrat«. Fortan widmet sich ihr Schaffen vor allem der Suche nach feministischen Geschichten und der politischen Aufklärungsarbeit. Mit Helke Sander stellt sie 1973 in Westberlin im Kino Arsenal das 1. »Internationale Frauen-Film-Seminar« auf die Beine.
Die gemeinschaftlich kuratierte Werkschau ist unter einen Titel einer von Claudia von Alemann, Dominique Jallamion und Bettina Schäfer herausgebrachten Publikation gestellt: ›Das nächste Jahrhundert wird uns gehören‹. Die Recherche zu politischen Aktivist*innen des 19. Jahrhunderts schlug sich nicht nur in Filmen wie dem gleichnamigen Episodenfilm und ihrem preisgekrönten Werk ›Die Reise nach Lyon‹ nieder, sondern steht für die immer noch uneingelösten Utopien feministischer Vorkämpfer*innen und Autor*innen.
Das Œuvre der ehemaligen Professorin an der FH Dortmund umfasst experimentelle und dokumentarische Arbeiten, Fernsehbeiträge und Spielfilme. In komplexen filmischen Collagen, in denen sie Musik, Ton, bildende Kunst und Fotografien miteinander in Beziehung setzt, beleuchtet sie die blinden Flecken der Geschichtsschreibung.
Der Auftakt der Veranstaltungsreihe, die eine Kooperation von Deutscher Kinemathek, Zeughauskino, Klick Kino und Bundesplatz-Kino ist, findet am 18.4.23 im Klick Kino mit der Aufführung des preisgekrönten Films ›Die Reise nach Lyon‹ statt. Die Regisseurin Claudia von Alemann ist anwesend.
Programm
18.4., 20:00, Klick Kino
›Die Reise nach Lyon‹ (BRD 1980), 112 Min., DCP
Whlg.: 30.4., 18:30 und 19.5., 20:00, Zeughauskino
Auf den Spuren von Flora Tristan reist die Historikerin Elisabeth nach Lyon, um dem Leben und der Ideenwelt dieser bedeutenden Frühsozialistin und Verfasserin sozialkritischer Reportagen näherzukommen, die sich im 19. Jahrhundert der Vereinigung der Arbeiterbewegung verschrieben hatte. Bücher und Archive hat Elisabeth lange genug konsultiert, nun sehnt sie sich nach etwas, das unter der »offiziellen« Geschichtsschreibung begraben liegt: Mit einem Tonaufnahme-Gerät flaniert sie durch die Straßen der Arbeiterviertel Lyons, um einem Leben nachzuspüren, das lange vor dem ihrigen lag, sowie ihrem eigenen, dem sie sich entfremdet fühlt. ›Die Reise nach Lyon‹ – der englische Verleihtitel lautet ‚Blind Spot‘– ist ein Film über die Möglichkeit von Erfahrung, eine Hinwendung zu phantasievollem, utopischem Denken und eine Abkehr von einer Wissensproduktion, die die Geschichte von Frauen, Arbeiter*innen wie Migrant*innen ausschließt. Ausgezeichnet 1982 mit dem Preis der deutschen Filmkritik.
19.4., 20:00, Klick Kino
›Exprmntl 4 Knokke‹ (BRD 1967), 44 Min., Digital file
Jahreswende 1967/68: im belgischen Seebad Knokke findet das 4. »Internationale Experimentalfilmfestival« statt. Claudia von Alemann zeigt in ihrem Dokumentarfilm neben Filmausschnitten vor allem die Parallelereignisse, die spontanen Auftritte, Happenings und Protestaktionen wie unter anderem die von Harun Farocki, Jean-Jacques Lebel, Shirley Clarke, Holger Meins, Gustav Lamche, Armand Gatti, Mauricio Kagel, die der Student*innen der HfG Ulm und der DFFB, den US-amerikanischen Underground-Filmemacher*innen und die exaltierte Atmosphäre, die das Festival von Knokke so legendär und zum entscheidenden Anstoß für den unabhängigen Film in Europa gemacht haben.
›Das ist nur der Anfang - der Kampf geht weiter‹ (1969), 45 Min., DVD
Mai 1968 Paris Frankreich. 8 Millionen Franzosen streiken. Polizisten stürmen die Barrikaden, die Sorbonne wird gestürmt, die Studierenden besetzen die universitären Räume und forcieren deren Öffnung für die gesellschaftlichen Kämpfe und Debatten, die die herkömmlichen Institutionen infrage stellen. Welche Rolle spielt dabei der Film? Welche Funktion kann dem Film in dieser Bewegung zukommen? Wie engagieren sich Filmemacher*innen im Rahmen einer neu zu definierenden Kulturpolitik? Und wie werden ihre Forderungen in der filmischen Praxis umgesetzt? Filmstudierende, Schüler*innen, Arbeiter*innen u.a. der Citroën-Werke und auch etablierte Regisseure wie Jean-Luc Godard beteiligen sich in diesem Film an den Debatten und Auseinandersetzungen der im Mai 68 entstandenen Filmkollektiven.
20.4., 17:30, Klick Kino
›Das Frauenzimmer‹ (1981), 60 Min., DVD
Whlg.: 6.5., 20:00, Zeughauskino
Wurde mit dem Wort Frauenzimmer im 15. Jahrhundert noch der gesamte Hofstaat einer Adeligen bezeichnet, wandelt sich der Begriff im Laufe der Jahrhunderte zur Abwertung einer einzelnen Frau. Diese radikale, anti-emanzipative Verengung seziert Claudia von Alemanns surreales Kammerspiel ohne Dialoge anhand von Zitaten aus der Kunstgeschichte. Eine riesige Küche erscheint als beklemmender Schauplatz innerer Zustände und wird zum gesellschaftlichen Sinnbild autoritär-patriarchaler wie christlich-konservativer Familienstrukturen. »Eine Einladung zum Nachdenken über das Pathologische im Alltag, die Macht, die Gewalt, die Einsamkeit, jene Gefühle, die unser familiäres Leben dominieren«, resümierte Jordi Torrent (Video Actualidad, Februar 1983). Das Frauenzimmer wurde in zahlreiche Videokunstsammlungen aufgenommen, unter anderen vom Museum of Modern Art in New York, dem Stedelijk Museum in Amsterdam und dem ICA – Institut of Contemporary Art London.
23.4., 11:00, Bundesplatz-Kino
›Wie nächtliche Schatten‹ (1991), 45 Min., DVD
Der erste Besuch der Regisseurin in Seebach, dem Dorf in Thüringen, das geprägt war vom Gutshaus der Familie ihrer Mutter, aus dem die Familie 1949 in den Westen geflohen war, konfrontiert sie mit Erinnerungen an die Kindheit, Verdrängtem, Vergessen geglaubtem und den Hoffnungen und Ängsten jener Menschen, die an diesem Ort leben und sich an die DDR-Zeit erinnern. Die Aufarbeitung dieser gewaltsamen Trennung, die so untypisch ist und sich doch im Kern der Erfahrung vieler Menschen treffen mag, ist das Thema des Films: Gedanken zur Identifikation mit einer Familie und mit ihrer Geschichte, Konfrontationen mit der Geschichte und den Geschichten der Menschen in dem ehemals unerreichbaren Dorf auf der anderen Seite der Grenze. Die Zeitebenen von heute, dem Kriegsende, Nachkriegszeit und Teilung des Landes vermischen sich, werden assoziativ miteinander verknüpft.
›War einst ein wilder Wassermann‹ (2000), 43 Min. Digital File
Die 86-jährige Mutter der Filmregisseurin kehrt gemeinsam mit Tochter und Enkelin Noemi in ihr damaliges Heimatdorf Dorf in Thüringen in der ehemaligen DDR zurück und erzählt, wie sie von 1933 bis 1945 an die Idee des Nationalsozialismus glaubte und dies heute zutiefst bereut. In einer schmerzvollen Reise in die Erinnerung an die Vergangenheit wird hier eine selten gezeigte Position offenbart: die einer normalen deutschen Bürgerin, die in der Nazizeit unter diesem Regime gelebt hat und ihm völlig vertraute, die später aber ihre Ansichten radikal änderte und sich wegen ihres Glaubens an Hitler schuldig fühlt. Die Gespräche zwischen Großmutter, Tochter und Enkelin vermitteln berührende, aber auch konfliktvolle Momente, sie etablieren einen Dialog zwischen den Generationen.
28.4., 19:00, Zeughauskino
›Das nächste Jahrhundert wird uns gehören‹ (BRD 1987), 90 Min., Digital File
Whlg: 20.5., 17:30, Zeughauskino
Auf der Suche nach der Geschichte der deutschsprachigen Frauenbewegung begibt sich die Detektivin Lore auf eine Zeitreise. Sie nimmt uns mit in die Jahrzehnte zwischen 1830 und 1860, in die Wohn- und Studierzimmer von Luise Otto-Peters, Louise Aston, Kathinka Zitz und Mathilde Franziska Anneke. In malerischem Dekor lesen die Frauenrechtlerinnen und Schriftstellerinnen aus ihren Werken vor. Das Bühnenbild von Jürgen Rieger und die Kameraarbeit von Hille Sagel evozieren eine Zeit, in der die Gegenwart zu erahnen ist. Renate Fischetti lobt den Film als »ungewöhnliche Geschichtsschau, die großartig (…) in die Vergangenheit überleitet, anhand von Illustrationen, Radierungen und Faksimiles«. Der zweiteilige historische Spielfilm gewann 1988 den ersten Preis auf dem »Festival International de Films et Videos de Femmes« in Montréal und wurde in der 12-teiligen Fernsehreihe ›Unerhört – Die Geschichte der deutschen Frauenbewegung von 1830 bis heute‹ in den Dritten Programmen der ARD ausgestrahlt. Weitere Folgen stammten unter anderem von Ula Stöckl, Christina von Braun und Margit Eschenbach.
29.4., 18:00, Zeughauskino
›Lichte Nächte‹ (F/BRD 1990), 30 Min., DVD
In einer experimentell zusammengestellten, filmischen Rückschau reflektieren Danielle Jaeggi, Paule Baillargeon und Claudia von Alemann über ihre Arbeit als Filmemacherinnen und über das Leben als Mutter. So wie sich der Titel anlehnt an Michel Leiris’ Gedichtband ›Lichte Nächte und mancher dunkler Tag‹, so besitzt der Film eine ganz eigene Poesie, die sich auch in Aufnahmen alltäglicher Verrichtungen zeigt, etwa der Hände beim Abwasch. »Nur die Haare oder die Beziehung der Hände zueinander oder Gesten, und dann wieder kommen Worte dazwischen und Filmausschnitte, über die wir uns unterhalten, wobei wir verblüfft feststellten, dass die Frauen, die wir in den Filmen schildern, immer ziemliche Mühe haben mit ihrer Identität, ihrer Suche nach etwas, nach verlorenen Personen oder verlorenen Dingen. Sie sind meist auf der Suche nach etwas Abhandengekommenem, Vergessenem oder Vergangenem«, so Claudia von Alemann 1992 in dem von Renate Fischetti geführten Interview »Eine Pionierin der weiblichen Filmsprache«. Ein Essay über Begehren, Zweifel, Widersprüche.
29.4., 20:00, Zeughauskino
›La fille de Prague avec un sac très lourd‹ (Danielle Jaeggi, F 1979), 105 Min., Digital File
Welche Nachrichten kommen ins Fernsehen? Was für Informationen verdienen wie viel Aufmerksamkeit? Und wer entscheidet darüber? Als Milena in Paris ankommt, ist sie guter Dinge, hier verbotene Filme, Musik und Texte aus dem Prager Underground »an den Mann« bringen zu können. Doch bald muss sie feststellen, dass diese nicht skandalös genug sind, damit die französischen Medien darüber berichten. Sie ist nicht allein der Bevormundung durch einen Fernsehmoderator und der schamlosen Übergriffigkeit eines Journalisten ausgesetzt, sondern auch alltäglicher Belästigung, auf die sie gekonnt beiläufig reagiert. Ein Film, der auch in unserer Medienwelt immer noch aktuell ist und dazu einlädt, über Aufmerksamkeitsökonomien und die Generierung von Bedeutung nachzudenken. Die 1945 geborene Schweizerin Danielle Jaeggi studierte von 1964 bis 1967 am L’Institut des Hautes Études Cinématographiques (IDHEC) in Paris und ist eine der bedeutendsten feministischen Regisseur*innen und Videoaktivist*innen unserer Zeit. Sie war unter anderem Teil des Videokollektivs »Les Cents Fleurs«, das sich besonders für die Schilderung von Arbeitskämpfen stark machte.
1.5., 19:00, Zeughauskino
›…es kommt drauf an, sie zu verändern‹ (BRD 1973), 54 Min., Blu-Ray
Ein kämpferischer Aufklärungsfilm über die Arbeit von Frauen in der Metall- und Elektroindustrie. Dokumentiert wird die kleinteilige, monotone und unterbezahlte Fabrikarbeit, was jedoch nur unter einem Vorwand möglich war. Als »weibliche Wallraffiade« bezeichnet Claudia von Alemann die Dreharbeit des Films, der neben der wirtschaftlichen Ausbeutung auch die gesamtgesellschaftliche Unterdrückung von Frauen beschreibt sowie deren fehlende Selbstorganisation. Kritisiert wird die mangelnde Unterstützung durch die männlich dominierten Gewerkschaften. Der Marginalisierung der Frauen und ihrer scheinbar passiven Haltung stellt Claudia von Alemanns aktivistischer Film Solidarisierungsprozesse und Handlungsmöglichkeiten gegenüber; sie kommen zu Wort und wehren sich aktiv. In den siebziger Jahren lief ›… es kommt drauf an, sie zu verändern‹ deshalb auch oft im Rahmen der Agitation für arbeitspolitische Kämpfe. Die im Titel zitierte 11. Feuerbach-These von Karl Marx wird so in die Praxis umgesetzt: »Die Philosophen haben die Welt nur interpretiert, es kommt darauf an, sie zu verändern.«
2.5., 19:00, Zeughauskino
›Das schwache Geschlecht muss stärker werden‹ (Hanna Laura Klar, BRD 1970), 50 Min., DVD
Das schwache Geschlecht muss stärker werden – doch wie ist das zu erreichen? Das zentrale Stichwort der sechs Filmemacherinnen Claudia von Alemann, Susanne Beyeler, Erika Runge, Helke Sander, Ula Stöckl und Hanna Laura Klar dazu lautet: Emanzipation. In gemeinsamer Runde diskutieren sie die Bedeutung von Filmen für die feministische Bewusstseinsbildung und die Rolle der Filmemacherinnen in diesem Prozess. Auf ein Statement folgt eine exemplarische Spielfilmszene. Claudia von Alemann spricht über die ungleiche Aufteilung von Hausarbeit und tritt ein für die Entlohnung dieser Arbeit. Wie kann das Verhältnis von Arbeit und Familie für berufstätige Frauen verbessert werden? Wie steht es um die Kindererziehung? Welche Schritte sind nötig zur Überwindung der ungleichen Geschlechterordnung? Klar wird: Filmarbeit ist politische Praxis.
5.5., 20:30, Zeughauskino
Frühe Filme: ›Einfach‹ (BRD 1966), 5 Min., DCP, ›Die unbezähmbare Leni Peickert‹ (Alexander Kluge, BRD 1967), 33 Min., DCP, ›Fundevogel‹ (BRD 1967), 20 Min., 35 mm
Dinge zerbrechen, ein Ei fällt zu Boden, die Kamera schwankt. Dass das Leben voller Widrigkeiten ist, zeigt der Kurzfilm ›Einfach‹ in Form einer irrwitzigen Reflexion. ›Einfach‹ bildet den Auftakt für ein Programm mit frühen Filmen von Claudia von Alemann, die an der Hochschule für Gestaltung in Ulm entstanden. Einer ihrer Dozenten war Alexander Kluge, in dessen Kurzfilm ›Die unbezähmbare Leni Peickert‹ eine Zirkusdirektorin eine Fernsehanstalt übernimmt. Einmontiert ist der Ausschnitt eines verschollenen Films von Claudia von Alemann, ›Lustgewinn I‹. »Wir hatten alle einen Stich ins Absurde. Deshalb haben unsere Filme auch so einen Witz, wie ihn rein puristische Filme nicht hätten. Da ist ein Schlenker, ein Dreh drin, ein Hang zum Absurden, zum Selbstironischen auch«, stellte Claudia von Alemann 2003 in der Zeitschrift ›form + zweck‹ rückblickend fest. Klar erkennbar ist ihre Affinität zum Traumhaft-Unbewussten auch im Ulmer Abschlussfilm ›Fundevogel‹: »Sich in Bildern erinnern heißt ein wenig, die Zensur aufheben, die der in Worte gefasste Gedanke ausübt«, so Claudia von Alemann.
6.5., 18:00, Zeughauskino
»Zu Tisch«: ›Einfach‹ (BRD 1966), 5 Min., DCP, ›Momente‹ (BRD 1980), 15 Min., Digital file, ›Muet comme une carpe/ Silent as a Fish‹ (Boris Lehman, BE 1987) 36 Min., Digital File
Ein Programm, das Filme zusammenbringt, die auf ganz unterschiedliche Weise unsere Verhältnisse und Beziehungen zur Welt verhandeln. Sei es als Schwierigkeit, Dinge in der Hand zu halten (›Einfach‹), oder, wie im kurzen Dokumentarfilm ›Momente‹, Aktivismus, Arbeit und Mutterschaft zu vereinen. Dabei fungieren der Umgang mit Essen und die Inszenierung »Zu Tisch« jeweils als Zugriffe, um bestimmte Blicke auf die Welt zu werfen. In ›Momente‹ ergibt dies eine spielerische Imagination eines (von Männern) befreiten Lebens. Ein Wunschfilm von Claudia von Alemann ist ›Muet comme une carpe‹ von Boris Lehman. Zu sehen ist die Zubereitung eines traditionell jüdischen Fischgerichtes und die freudig-familiäre Zusammenkunft zum Neujahrsfest Rosch ha-Schana.
7.5., 18:00, Zeughauskino
›Die Frau mit der Kamera‹ (D 2015), 92 Min., DCP
Whlg., 16.5., 19:00, Zeughauskino
Die Fotografin Abisag Tüllmann (1935–1996) ist eine der großen sozial engagierten Chronist*innen der Bundesrepublik und ihrer Widersprüche. Ihre Bilder dokumentieren die Auschwitz-Prozesse, die Student*innenproteste und Häuserkämpfe in Frankfurt am Main. Sie porträtieren Wohnungslose, Theatermacher*innen, Politiker*innen. Dieser besonderen Dokumentaristin widmet ihre langjährige Freundin Claudia von Alemann eine filmische Hommage, an der sie fast 20 Jahre lang arbeitete: ›Die Frau mit der Kamera – Porträt der Fotografin Abisag Tüllmann‹. Auf sehr persönliche, essayistische Weise gibt der Film einen Einblick in die feinfühlige Art der Fotografin, die sich der politischen Dimension ihres Kamerablicks immer bewusst war. Wegbegleiter*innen berichten von Tüllmanns Arbeit für wichtige Zeitungen und von Reisen, die sie nach Israel, Algerien und Südafrika führten. 500 Schwarzweißfotografien, unterlegt mit Musik von José Luis de Delás, verdichten sich zu einem berührenden Gesamtbild: »Tüllmanns Fotografien werden in dem ebenso dichten wie präzisen Dokumentarfilm zu essayistischen Passagen gruppiert und erhalten einen faszinierenden autonomen Raum.« (Filmdienst)