»Werner Herzog« – Filmreihe zur gleichnamigen Ausstellung der Deutschen Kinemathek
Pressemitteilung, 16.1.23
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Deutsche Kinemathek
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Die Bilder von Werner Herzog gehen weit über das hinaus, was wir im Kino zu sehen gewohnt sind. Herzogs filmisches Schaffen umfasst mehr als 70 Produktionen und reicht von Spielfilmen aus der Zeit des Neuen Deutschen Films über Hollywood-Produktionen mit Star-Besetzung bis zu eigenwilligen Dokumentarfilmen. Anlässlich der Ausstellung »Werner Herzog«, die noch bis 27. März 2023 im Museum für Film und Fernsehen zu sehen ist, präsentiert die Deutsche Kinemathek mit einer begleitenden Filmreihe vom 1. bis 15. Februar 2023 im Kino Arsenal einen Querschnitt durch das sehenswerte wie umfangreiche Werk Werner Herzogs.
›The Fire Within: Requiem for Katia and Maurice Krafft‹ (UK, CH, USA 2022 / 01.02.) Vulkane üben auf Werner Herzog eine große Faszination aus. 1977 entstand ›La Soufrière‹ kurz vor einem möglichen Vulkanausbruch, 2016 drehte er ›Into The Inferno‹ und verwendete darin auch Filmmaterial des französischen Vulkanologen-Ehepaars Katia und Maurice Krafft. Nun hat er den beiden ein Requiem gewidmet. Herzog konnte aus 250 Stunden Footage auswählen, »Material von unglaublicher Kraft und Schönheit«, wie er sagt. Der Film ist tatsächlich ein »Requiem« geworden, ein Blick auf das Leben im Angesicht des Todes. Herzog beobachtet den Wandel zweier Forschender zu Künstlern. Ihre Aufnahmen, die aus immer größerer Nähe zu den Vulkanen entstanden, gelangten zu immer größerer Abstraktion.
›Queen of the Desert‹ (USA 2015 / 02.02.) Starkino, aber anders: für den auf der Lebensgeschichte der britischen Forscherin Gertrud Bell basierenden Film gewann Herzog u. a. Nicole Kidman, James Franco, Damien Lewis und Robert Pattinson. Die im Nahen Osten spielenden Szenen wurden weitgehend in Marokko realisiert. Der Film spannt den Bogen von Versuchen weiblicher Emanzipation im viktorianischen Großbritannien bis zum Ersten Weltkrieg und den geopolitischen Folgen für Arabien. Die Erzählweise folgt für einen Herzog-Film vergleichsweise linear.
›On Death Row‹, (Part II), (USA, UK 2012–2013 / 03.02.) Zweiter Teil der achtteiligen Portrait-Serie über zum Tode verurteilte Menschen in einem Hochsicherheitsgefängnis in Texas. Als Antwort auf seine zugewandten – aus dem Off gestellten – Fragen, gewähren die Insassen Herzog und dem Publikum Einblick in die Untiefen der menschlichen Seele. Für Werner Herzog, der sich als Gegner der Todesstrafe positioniert, ein Blick auf »monströse Taten« nicht aber »Monster«.
›Cave of Forgotten Dreams‹ (CA, USA, F, D, UK 2010 / 04.02.) Seit seiner Kindheit ist Herzog von den Höhlenmalereien der Steinzeit fasziniert. Die erst 1994 entdeckte Chauvet-Höhle enthält eine große Zahl solcher Zeichnungen, die zu den ältesten der Welt gehören. Herzog durfte 2010 in der Höhle, die für das Publikum gesperrt ist, drehen. Der Film präsentiert die Vielfalt der Darstellungen und Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen erläutern den Kontext, in dem die zivilisatorischen Zeugnisse entstanden.
›My Son, My Son, What Have Ye done‹ (USA, D 2009 / 05.02.) Das Drehbuch schrieb Herzog zusammen mit Herbert Golder, ausgehend von einem authentischen Fall. Eric Basset, David Lynchs Produzent, übernahm die Produktion. Laut Herzog würden seine und Lynchs Filme »nicht miteinander reden, sondern miteinander tanzen«. Manches aber lässt sich wie ein Zitat verstehen, die Figuren wirken oft leicht aus der Spur geraten – die Mutter (Grace Zabriskie) zumal, die mit großer Penetranz schwabblige »Götterspeise« serviert, auch wenn niemand sie möchte. Michael Shannons Darstellung als der verwirrt zum Mörder werdende Sohn vermittelt von Beginn an eine verstörende Ausstrahlung.
›The Wild Blue Yonder‹ (D, F, UK 2005 / 06.02.) Der ungewöhnlichste aller Science Fiction Filme. Keine Special Effects, dafür found footage-Material, neu arrangiert. Brad Dourif tritt als Alien vor die Kamera, Flüchtling von einem sterbenden Planeten in der Galaxis Andromeda. Der Plan, die Erde zu kolonisieren, misslang, nun arbeiten die Aliens verdeckt, u. a. für die CIA. Die vertrackte Story, voll untergründiger Komik, lässt Amateuraufnahmen der Astronautinnen und Astronauten des Spaceshuttles Atlantis zur Erzählung einer terrestrischen Expedition zum Planeten Wild Blue Yonder in der Nachbargalaxis werden. Unterwasser-Aufnahmen von Henry Kaiser, gefilmt in der Antarktis, stehen für diesen gänzlich überschwemmten Himmelskörper. Eine Lektion über Fantasie.
›Mein liebster Feind‹ (BRD, UK 1999 / 07.02.) Klaus Kinski und Werner Herzog sind in der öffentlichen Wahrnehmung bis heute eng verbunden. 1999, acht Jahre nach dem Tod Kinskis, drehte Herzog einen Dokumentarfilm über den »Wüterich«. Vom ZDF mit dem Bedenken abgelehnt, der Film könnte zu einer »unerträglichen Nabelschau« geraten, erwies er sich als echter Publikumserfolg. ›Mein liebster Feind‹ zeigt Kinski in diametralen Extremen: als vor Wut Rasenden, dessen unkontrollierte Ausbrüche auch in Gewalt umschlagen konnten, sowie als sensiblen und zärtlichen Mann, den eine innere Rastlosigkeit plagt.
›Julianes Sturz in den Dschungel‹ (BRD, UK 1999 / 08.02.) Eine Reise in den tiefsten Dschungel: Herzog, der mit seinem Team auf dem überbuchten und dann verunglückten Flug LANSA 508 keine Plätze mehr bekommen hatte, wollte schon lange einen Film mit der einzigen Überlebenden, der damals siebzehnjährigen Juliane Koepcke, realisieren. Mit ihr und ihrem Mann sucht er den Absturzort, sie finden Überreste des Flugzeugs, folgen dem Weg, der Juliane nach zwölf Tagen aus dem Dschungel führte. Bewundernswert ruhig und sachlich berichtet sie über ihr Martyrium. Der Respekt, mit dem das Drehteam auf diese Haltung antwortet, durchzieht den Film.
›La Soufrière‹ (BRD 1977 / 08.02.) Der Vulkan La Soufrière auf der französischen Karibikinsel Guadeloupe zeigt alle Anzeichen eines bevorstehenden Ausbruchs, der von Experten als »unausweichliche Katastrophe« vorausgesagt wird. Werner Herzog begibt sich mit seinem Kamerateam in die evakuierten Städte und dokumentiert menschenleere Straßen und Häuser, die nun von den verlassenen Nutztieren bevölkert sind. Die Filmemacher nähern sich dem Ursprung der Gefahr so weit wie möglich zu Fuß und schließlich per Hubschrauber. In der Nähe des Vulkans treffen sie auf vereinzelte Menschen, die sich geweigert haben, der nahenden Zerstörung zu entfliehen. Sie werden zu den Motiven ihres Entschlusses sowie ihren Gedanken über Leben und Tod befragt. Letztendlich findet die erwartete Katastrophe nicht statt.
›Lektionen in Finsternis‹ (UK, Deutschland 1992 / 09.02.) Ein Film wie ein Requiem. Die Hinterlassenschaft der geschlagenen irakischen Invasionsarmee: zerschossene Panzer und Militärgerät, zerstörte Siedlungen und Straßen, brennende Ölquellen, verseuchte Böden in Kuwait, wo Löschkräfte mit spezieller Ausrüstung versuchen, die Feuer zu löschen. Überlebende berichten von Folter und Leid, es ist eine Reise in die Finsternis, eine Klage über die geschundene Schöpfung. Keine Ästhetisierung der Gewalt, sondern die überhöhte Darstellung einer menschengemachten Katastrophe.
›Stroszek‹ (BRD 1977 / 10.02.) Der nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis in Berlin in Hinterhöfen auftretende Straßenmusikant, gespielt von Bruno S., sucht den Zwängen – und den Zurückweisungen – zu entkommen, indem er mit seiner Freundin Eva und seinem Nachbarn Herrn Scheitz den Entschluss fasst, nach Amerika auszuwandern. Nur anfangs scheint das gutzugehen. Das Gesetz des Geldes holt sie auch hier ein. Bruno kapert eine Seilbahn, die sich in endlosem Kreisen auf und ab bewegt, während unten an der Station das Auto ausbrennt und in einer Art Tier-Peepshow Hühner einen unaufhörlichen Tanz aufführen. Eines der stärksten Schlussbilder im Herzog-Kosmos
›Aguirre, der Zorn Gottes‹ (BRD 1972 / 11.02.) Herzogs erster Aufbruch in den Dschungel, nicht unumstritten. Vor Ort inszenierte er die wahnhafte Unternehmung eines spanischen Konquistadoren, der das sagenumwobene Eldorado sucht und sich vornimmt, einen Idealstaat mit neuem Menschengeschlecht zu gründen. Ein Eroberer, kein Abenteurer, rücksichts- und gesetzlos verfolgt er sein Ziel ohne Skrupel und scheitert am Ende, allein auf dem Fluss mit einer Herde Affen dem Untergang entgegentreibend. Imperialismus und Hybris, Menschenverachtung und Ignoranz sind die Themen, größtmögliche Authentizität das Ziel. Es war Herzogs erste Zusammenarbeit mit Klaus Kinski, der Idealbesetzung für Besessene.
›Land des Schweigens und der Dunkelheit‹ (BRD 1971 / 12.02.) Eindringliche Beschreibung des Lebens von gehörlosen Menschen am Beispiel einer taubblinden Frau. Ein beklemmendes Zeitdokument, das auf die mangelnde Fürsorge der Gesellschaft für behinderte Menschen hinweist. Durch genaue Beobachtung »schockierend«, mit Einfühlungsvermögen und Behutsamkeit gestaltet. Die Protagonistin des Films, Fini Straubinger, blieb Werner Herzog nach der Zusammenarbeit jahrelang freundschaftlich verbunden.
›Die große Ekstase des Bildschnitzers Steiner‹ (BRD 1974 / 12.02.) Walter Steiner, der grandiose Schweizer Skispringer, überragt die Konkurrenten mit seinem Talent. Der Film verdeutlicht nicht nur dies, sondern auch die Mechanismen eines Sports, der kaum Rücksicht auf die Springer nimmt, sondern das Spektakel ins Zentrum stellt. Fast erschreckend deutlich weisen die vielen gezeigten Stürze auf das zu hohe Risiko der Wettbewerbe hin. Bestweiten sollen erzielt werden, um fast jeden Preis. Steiner durchschaut diese Mechanismen, er unterwirft sich ihnen nicht, sondern folgt seinen Traum vom Fliegen: ein Herzogscher Held.
›Fata Morgana‹ (BRD 1971 / 13.02.) Ein Filmessay, gegliedert in drei Teile: Schöpfung, Paradies und Goldenes Zeitalter. Drei Erzählstimmen entfalten eine artifizielle Mythologie. Die Bilder, vorwiegend in Nordafrika aufgenommen, sind betörend und faszinierend, gerade weil sie nichts »bebildern«. In großer Freiheit verbindet dieser erste Teil der sogenannten Schöpfungstrilogie verdorrte Landschaften, verrostete Teile aufgegebener Gerätschaften, hart arbeitende Menschen, einsame Ansiedlungen. Wie mit dem Blick eines Außerirdischen wird diese Welt gezeigt, rätselhaft und nicht ohne humoristische Momente.
›Auch Zwerge haben klein angefangen‹ (BRD 1970 / 14.02.) In der Abwesenheit des Direktors rebellieren die Insassen eines Erziehungsheims. Ein Erzieher versucht vergebens, sich dem drohenden Chaos entgegenzustellen und nimmt einen der Rebellen in seinem Büro gefangen. Die plötzliche Ungebundenheit entfacht die Fantasie der Insassen, lustvoll aber ohne klares Ziel überschreiten sie Grenzen. Herzog drehte den Film mit kleinwüchsigen Menschen auf Lanzarote.
Zu Gast an diesem Abend ist der Kameramann Thomas Mauch mit seinem Kurzdokumentarfilm ›Der Welt zeigen, dass man noch da ist‹, der Einblick in die Dreharbeiten des Films gibt.
›Lebenszeichen‹ (BRD 1968 / 15.02.) Herzogs erster Langfilm, gedreht auf den Inseln Kreta und Kos – wo sein Großvater als Archäologe gearbeitet hatte. Er erhielt bei der Berlinale 1968 den Silbernen Bären für den besten Erstlingsfilm und begeisterte u. a. Lotte Eisner, die hier einen Aufbruch erkannte. Die Handlung spielt gegen Ende des Zweiten Weltkrieges, der Soldat Stroszek erholt sich von einer Verwundung und soll zusammen mit zwei Kameraden das Munitionsdepot in einer alten Festung bewachen. Er heiratet eine Dorfbewohnerin und versucht, der lähmenden Untätigkeit durch andere Aufträge zu entkommen. Bei einer Erkundung trifft ihn der Anblick von hunderten sich drehender Windmühlen bis ins Mark. Verwirrt übernimmt er den Befehl über die Festung und droht gar, die Sonne in Brand setzen zu wollen.
Filmreihe »Werner Herzog«
1. bis 15. Februar 2023, Kino Arsenal
Ausstellung »Werner Herzog«
bis 27. März 23, Deutsche Kinemathek
Potsdamer Straße 2, 10785 Berlin
Publikation »Werner Herzog«, erschienen bei Könemann
9,95 Euro Museumsausgabe